Wer Schweizer Politik hört, denkt heute an Demokratie, Gewaltenteilung, Volksabstimmungen und sorgsam austarierte Interessen. Fast vergessen ist hingegen, dass die Schweiz im 20. Jahrhundert während Jahrzehnten mit Notrecht regiert wurde, das seinen Ursprung im Ersten Weltkrieg hatte. Denn dieser Krieg fand nicht nur in den Schützengräben und auf den Weltmeeren statt, er erfasste auch die Amtsstuben und Regierungsgebäude. Über Jahre mussten Armeen unterhalten, Wirtschaften auf die Produktion von Rüstungsgütern umgestellt und Engpässe bei der Versorgung bewältigt werden. Die Schweiz bildete hierbei keine Ausnahme. Im August 1914 stattete das Parlament den Bundesrat in einem bislang beispiellosen Akt mit legislativen Kompetenzen aus. Es legte so den Grundstein für das sogenannte Vollmachtenregime, um das sich dieses Buch dreht. Neben den Parlamentariern und dem Volk machten nun Beamte die Gesetze, Militärgerichte dehnten ihre Befugnisse in die Zivilgesellschaft aus und staatliche Institutionen begannen in Wirtschaft und Alltag einzugreifen. Dieses Buch geht den Entscheidungen, Akteuren und Konflikten des Vollmachtenregimes nach. Es stellt die Frage, wie sich die politische Schweiz unter dem Einfluss des Grossen Krieges veränderte.