Ferdinand Ebner (1882-1931) ist neben Ludwig Wittgenstein der bedeutendste österreichische Sprachdenker des 20. Jahrhunderts. In seinem Hauptwerk Das Wort und die geistigen Realitäten. Pneumatologische Fragmente entwickelt Ebner eine neue Form von Anthropologie, die auf einem dialogisch geprägten Verständnis des Menschen basiert. Neben seinen philosophischen Schriften verfaßte Ebner aber auch unzählige Briefe und war zudem ein intensiver Tagebuchschreiber. Das sogenannte "Mühlauer Tagebuch" vom 23.7. bis 28.8.1920 ist eines von insgesamt 14 erhaltenen Tagebüchern Ebners, welche neben dem philosophischem Nachlaß und den Briefen am Brenner-Archiv aufbewahrt werden. In diesem Tagebuch schildert Ebner seinen einmonatigen Aufenthalt bei Ludwig von Ficker in Mühlau bei Innsbruck, der der Beginn einer jahrelangen Freundschaft ist. Ficker, der bereits einige Aufsätze Ebners in seiner Zeitschrift Der Brenner publiziert hat, läßt 1921 auch Ebners bereits 1919 fertiggestellte Fragmente im Brenner-Verlag erscheinen. So wird Ficker Ebners Verleger, Förderer und Freund. Aus mehreren Tagebucheintragungen geht hervor, daß Ebner bei Ficker eine Akzeptanz und Freundlichkeit erfährt, die ihm bisher fremd waren. Dieses für Ebner so seltene Gefühl des Wohlbefindens erfährt er auch bei seinen zahlreichen Spaziergängen mit Ficker, die zu intensiven Naturerlebnissen führen, sodaß Ebner, der die Bedeutung des Wortes immer wieder betont, auch Grenzen der sprachlichen Möglichkeiten wahrnimmt. Ebners geistige Einstellung tritt ganz klar und markant in der Begegnung mit verschiedenen Persönlichkeiten aus dem Brenner-Kreis und in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen geistigen Strömungen zu dieser Zeit hervor. So wird er z.B. in der Person von Paul Bargehr mit dem Buddhismus konfrontiert, dem gegenüber er sich wenn auch nicht verständnislos so doch skeptisch äußert. Immer wieder zeigt sich auch seine Ablehnung der katholischen Amtskirche trotz seiner erst einige Jahre zuvor erfolgten Hinwendung zum Christenturn. Besonders interessant ist Ebners Begegnung mit dem Maler Erich Lechleitner. Angesichts seiner Bilder gerät er in einen Zwiespalt mit seinem eigenen rigorosen Kulturpessimismus. Dem Tagebuchtext folgt ein Einzelstellenkommentar, in dem biographische, literarische, philosophische, historische u.a. Anspielungen geklärt werden. Die drei Aufsätze, die an den Einzelstellenkommentar anschließen, sind als Flächenkommentar zu verstehen, d.h. sie stellen eine breitere Form der Kommentierung dar, wobei der biographische, der philosophische und der kulturelle Hintergrund Ebners aufgezeigt wird. Monika Seekircher liefert eine etwas umfassendere Kurzbiographie Ebners, wobei neben Ebners Lebensdaten auch seine wichtigsten persönlichen Beziehungen und seine geistige Entwicklung kurz dargestellt werden. Richard Hörmann versucht in seinem Aufsatz, den Zusammenhang des Tagebuchs mit Ebners Fragmenten aufzuzeigen, da sehr viele Stellen des Tagebuchs nur vor dem Hintergrund der Fragmente richtig zu verstehen sind. Walter Methlagl bettet das Tagebuch in den lokalen kulturellen Kontext ein, wobei er insbesondere auf die geistigen Strömungen im Brenner-Kreis eingeht. Das umfangreiche Bildmaterial dient der Veranschaulichung und ermöglicht somit eine konkrete Vorstellung von den im Tagebuch erwähnten Personen, den Örtlichkeiten zu dieser Zeit und von den Bildern der im Tagebuch genannten Maler. Ferdinand Ebner is next to Ludwig Wittgenstein the most important Austrian philosopher of language in the 20th century. In his main work Das Wort und die geistigen Realitäten. Pneumatologische Fragmente Ebner produces a new form of anthropology, which is based on a dialogic orientated understanding of human beings. Beside his philosophical works Ebner wrote many letters and diaries. One of the 14 existing diaries is the so-called "Mohlauer Tagebuch" from the 23rd of July to the 28 th of August 1920, which is kept on the "Brenner Archiv" in Innsbruck together with the philosophical texts and the letters. In this diary Ebner writes about his stay in Mühlau, a village near Innsbruck, where he was a guest of Ludwig von Ficker for one month and which was the beginning of a long friendship with the publisher of the Brenner. Ficker, who had already published some articles of Ebner in the Brenner, printed the Fragmente 1921, two years after Ebner wrote them. In this way Ficker became the publisher, promoter and friend of Ebner. According to some passages of the diary, Ebner experienced in Ficker a kind of acceptance and security, which he did not know before. This feeling of well-being is also a part of the deep impressions of nature, which Ebner got on many walks through the surrounding of Innsbruck. Although he was a thinker, who always emphasized the meaning of the word, these impressions showed him the limits of language. Ebner's basic opinions are presentated very clearly in his meetings with different members of the Brenner-circle and in the confrontation with the intellectual movements of the time. An example are his talks with Paul Bargehr about Buddhism, who was newly rediscovered in Europe in those days. Ebner understood the good will of Bargehr, but he cannot accept Buddhism as a solution for the big problems of the Europeans. In spite of Ebners turn to Christianity some years before the diary also shows the difficulties in the relation between Ebner and the Catholic church. Of special interest is Ebner's meeting with the painter Erich Lechleitner. In front of Lechleitner's pictures he has doubts about his radical pessimism concerning art and culture. The text of the diary is followed by a commentary, which explains the biographical, literary, philosophical, historical, etc. connections of passages in the diary. The three essays following the commentary give an overview of Ebners biographical, philosophical and cultural background. Monika Seekircher's essay includes a short biography of Ebner and describes the most important personal relations in his life as well as his intellectual developement. Richard Hörmann tries to show the connections between the diary and the Fragmente, because many entries of the diary can only be understood on the basis of the main thoughts of the Fragmente. The topic of Walter Methlagl's essay is the local cultural context, in which the diary is embedded. Special attention is given to the intellectual movements within the Brenner-circle. The numerous photos depict persons, who are mentioned in the diary, places as they then looked and the pictures by painters named in the diary.