Erzählungen darüber, dass der eine oder andere bereits von Dämonen heimgesucht wurde, besitzen im Nahen Osten eine lange Tradition. Im Koran wird die Existenz von Dämonen zwar angesprochen, doch ist deren Stellenwert dort insgesamt nicht allzu groß. In den volksreligiösen Konzeptionen hingegen spielen gefährliche Dämonen und damit einhergehende Phänomene wie Böser Blick und Zauberei eine sehr wichtige Rolle. Vor allem in den peripheren und dörflich geprägten Gebieten der heutigen Arabischen Republik Syrien wissen zahlreiche Menschen von ihren eigenen Erlebnissen mit solchen Geistwesen zu erzählen. In meiner Forschungsarbeit habe ich solche oral tradierten Geschichten gesammelt und die daran anschließenden Diskurse rekonstruiert. Konkret bin ich zunächst folgenden beiden Fragestellungen nachgegangen: In welchen räumlichen und zeitlichen Zonen treten Dämonen in Erscheinung? Und: Welche menschlichen Verhaltensweisen sind es, die das Erscheinen gefährlicher Dämonen wahrscheinlich machen? In meiner Untersuchung konnten erstens jene strukturalen Ansätze repliziert und weiterentwickelt werden, die Dämonen und andere metaphysische Entitäten in räumlichen und zeitlichen Grenzzonen vermuten. Zweitens konnten Belege dafür gesammelt werden, dass Dämonen primär dann in Erscheinung treten, wenn Menschen mit Ungewissheiten konfrontiert sind, - dort wo es um ethisch-moralische Entscheidungen geht, dort wo es um den Bereich der Sexualität geht oder um die Konstruktion individueller und kollektiver Identitäten. Die Erzählungen über Begegnungen mit Dämonen münden zwangsläufig in Diskurse über Fragen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Theoretisch sind sie mit den konfliktträchtigen Themen über Ethik und Moral, Sexualität, sozialer Wandel und Identität, zu umschreiben. Themen dieser Diskurse sind jedoch nicht abstrakte Theorien mit universellem Anspruch. Ganz im Gegenteil: Anhand konkreter Begebenheiten in konkreten Kontexten werden konkrete Möglichkeiten des richtigen und guten Lebens erörtert. Diese Konkretisierungen - sowohl in den Geschichten als auch in den Diskursen - bilden eine wirksame Strategie, Gewissheit in einer Welt voller Ungewissheit zu erzeugen. Die volksreligiösen Konzeptionen über das Wirken der Dämonen sind damit eine Möglichkeit, negativ erlebte Kontingenz zu bewältigen. Darüber hinaus liegt eine besondere Relevanz des lokalkulturellen Dämonen-Glaubens in der Bearbeitung von Wertkonflikten. In ihrer Bezogenheit auf das Alltagsgeschehen scheinen diese lokalkulturellen Konzeptionen auch in der Konfrontation mit anderen, konkurrierenden, Wirklichkeitsmodellen Bestand zu haben. So gesehen sind sie für die Menschen in der syrischen Peripherie zumindest heute - und vielleicht auch morgen - notwendig, brauchbar und lebensdienlich.Narratives about people haunted by demons have a long tradition in the Middle East. The Koran addresses the existence of demons, although their overall significance in it is limited. In contrast, dangerous demons and accompanying phenomena, such as the evil eye and witchcraft, play a vital role in concepts of folk religion. Particularly in peripheral and rural areas of the present-day Syrian Arab Republic, many people have stories to tell about their own encounters with such supernatural beings. In my research, I have collected such narratives, orally transmitted over time, and I have reconstructed subsequent discourses. More specifically, I have pursued the two following questions: In which spatial and temporal spheres do demons appear? And: Which human behaviours are likely to cause dangerous demons to appear? My analysis firstly replicated and extended structural approaches which presume demons and other metaphysical entities in spatial and temporal border zones. Secondly, evidence was collected to demonstrate that demons appear primarily when humans are faced with uncertainties - regarding ethical-moral decisions, regarding the realm of sexuality, or the construction of individual and collective identities. Narratives about encounters with demons inevitably lead to discourses about important issues of great urgency. In theory they can be described as conflict-laden topics regarding ethics and morals, sexuality, social change, and identity. However, the topics of these discourses are not abstract theories claiming universal validity. Quite the contrary: On the basis of concrete events in concrete contexts, concrete options for a virtuous and good life are discussed. These concretizations, in the narratives as well as in the discourses, form an effective strategy in creating security in a world full of uncertainties. The folk religious concepts regarding the demons' influence therefore provide an opportunity to cope with negative experiences of contingency. Moreover, particular relevance of the local-cultural beliefs in demons lies in dealing with value conflicts. Focusing on situations of daily life, such local-cultural concepts appear to be valid even when contrasted with other, concurring models of reality. Viewed in this light, they are essential, practical, and useful for the people in the Syrian periphery - at least today, and perhaps also tomorrow.