Das Verhältnis von Theologie und Jurisprudenz im iberischen 16. Jahrhundert zeichnet sich durch einen Wandel im Verhältnis zu den vorausgehenden drei Jahrhunderten aus.Während seit dem Hochmittelalter von einer starken Juridifizierung der Kirchenverwaltung, der Moraltheologie und selbst des Erlösungsglaubens gesprochen werden kann, ergibt sich im 16. Jahrhundert eine Akzentverschiebung. Zeitgleich mit der Entdeckung neuer Kulturen, dem Beginn dauerhafter konfessioneller Streitigkeiten und einer die Fesseln des Feudalsystems sprengenden Wirtschaftsentwicklung erlebt die Moraltheologie des 16. Jahrhunderts eine Renaissance der Summa Theologiae des Thomas von Aquin. Ein vom Willen Gottes getrennt denkbares Naturrecht wird als durch Vernunft erkennbar und begründbar behauptet.Seelmann zeigt in seinem hier publizierten Vortrag, wie Juristen der Zeit diese Entwicklung rezipierten, aber ebenso von der scotistischen Tradition einer den Willen Gottes über die Vernunft stellenden Trennung von Faktizität und Normativität beeinflußt wurden. Aus dieser Kombination entstand ein stark subjektiviertes und über diese Subjektivierung systematisierbares Naturrecht.